Corona-Pandemie in Deutschland – Ein Interview mit Ulrich Silberbach, Bundesvorsitzender dbb beamtenbund und tarifunion, und Oliver Lüsch, stv. Vorstandsvorsitzender BBBank
BBBank-Info:
Herr Silberbach, Herr Lüsch, wie geht es Ihnen privat und welche Änderungen haben sich durch die Corona-Krise für Ihre Arbeit ergeben?
Silberbach:
Über 90 Prozent meines Jobs sind ja ohnehin Kommunikation: erklären, verhandeln, moderieren. Daran hat sich nichts geändert. Geändert hat sich das Medium. Ich komme mir ein bisschen vor, als sei ich momentan ein virtueller dbb-Vorsitzender. Mir fehlt der direkte und persönliche Kontakt zu den Menschen sehr. Den kann man durch keine Videokonferenz ersetzen. Außerdem ist der Austausch jetzt durch die Kleinteiligkeit, die vielen Einzelgespräche und Mails im Grunde zeitaufwendiger. Im Homeoffice fallen zwar Fahrzeiten weg, eine wirkliche Ersparnis hat sich aber nicht ergeben.
Lüsch:
Ja, als Bankvorstand ist das bei mir ganz ähnlich. Natürlich nutzen wir alle in der BBBank schon lange die digitalen Medien. Das digitale Arbeiten ist quasi der Normalzustand bei uns. Vieles kann man so effizient erledigen. Das spart Zeit, Kosten und ist nachhaltig, weil wir zum Beispiel weniger Dienstreisen brauchen. Meetings per Telko und Video gehen schneller. Gerade bei uns als bundesweit aufgestellte Bank ist das relevant. Trotzdem ist der persönliche Kontakt zu den Menschen wichtig. Das fehlt mir jetzt. Das ist im Büro nicht anders als im privaten Umfeld.
BBBank-Info:
Die nächste Frage zunächst an Sie, Herr Silberbach. Der personelle Engpass im öffentlichen Dienst war bereits vor Corona groß. Weshalb wird das durch die Pandemie noch verstärkt und welche Berufsgruppen sind davon besonders betroffen?
Das liegt auf der Hand: Im Gesundheitswesen und bei der inneren Sicherheit haben wir in der Corona-Krise den eklatantesten Personalmangel. Natürlich kann man sich auf explodierende Fallzahlen, auf flächendeckende Kontaktbeschränkungen und umfassende Grenzschließungen nie zu 100 Prozent vorbereiten. Welcher Finanzminister würde in Normalzeiten die Mittel für solche Personalreserven freigeben? Wir haben aber schon vor Corona einen Personalmangel von 300.000 Beschäftigten beklagt. Wer seinen öffentlichen Dienst in Normalzeiten auf Kante näht, hat in der Krise nicht viel zuzusetzen. Jetzt rettet uns vor allem der enorme und wirklich heldenhafte Einsatz der Kolleginnen und Kollegen vor Ort.
BBBank-Info:
Herr Lüsch, welche Auswirkungen hat die Corona-Pandemie auf die BBBank? Welche Möglichkeiten haben Sie, den öffentlichen Dienst zu unterstützen?
Unser Ziel ist natürlich, jederzeit und insbesondere in der Krise für unsere Kunden da zu sein. Wir stellen die Bargeldversorgung sicher und leisten – zusammen mit den Förderbanken – unbürokratische finanzielle Überbrückungshilfen. Dabei hat der Schutz unserer Kunden und der unserer Mitarbeiter vor einer Infektion oberste Priorität. Wir haben dafür viele Vorkehrungen getroffen. In allen unseren Filialen bundesweit und in unserer digitalen Filiale „BBDirekt“ sind unsere Beraterinnen und Berater sowie die Spezialisten für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst auch in diesen Zeiten uneingeschränkt erreichbar.
Zusammen mit der BBBank Stiftung haben wir eine Corona-Spendenaktion unter dem Motto „Gemeinsam helfen wir den Helfern“ ins Leben gerufen. Bereits nach wenigen Tagen kamen von unseren Mitgliedern viele Tausend Euro zusammen. (Nähere Infos finden Sie hier.)
BBBank-Info:
Ist Homeoffice derzeit bei der BBBank möglich, Herr Lüsch? In welchen Bereichen geht es oder ist sogar erforderlich? Wo ist es notwendig, dass die Mitarbeiter vor Ort sind? Wie gestaltet sich momentan die Kundenbetreuung?
Wir bieten Better Banking. Konkret heißt das hier: Wir sind persönlich über alle Kommunikationswege für unsere Kunden da. Das geht in den Filialen vor Ort, per Telefon und per E‑Mail oder Videochat. Dabei sehen wir nicht erst seit Corona eine Verlagerung der Servicethemen in den digitalen Bereich. Die Möglichkeiten zum Arbeiten im Homeoffice haben wir daher schon vor Corona ausgebaut. Homeoffice funktioniert gut in unserer digitalen BBBank-Filiale „BBDirekt“. Natürlich auch in den Backoffice-Bereichen. Das sind die Bereiche in der Bank ohne direkten Kundenkontakt.
In den Filialen ist Homeoffice naturgemäß schwierig. Hier steht der persönliche Kontakt im Fokus. Deswegen haben wir umfangreiche Maßnahmen zum Schutz vor der Virusinfektion getroffen. Somit ist die Kundenbetreuung auch dort sichergestellt.
Ein großes Dankeschön an dieser Stelle an alle unsere Kunden und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die flexibel und engagiert mit der neuen Situation umgehen.
BBBank-Info:
An Herrn Silberbach gerichtet: Ist Homeoffice im öffentlichen Dienst möglich? Und wenn ja, in welchen Bereichen? Wo gibt es Nachholbedarf zum Beispiel an digitalen Bürgerdiensten?
Viele staatliche Dienstleistungen erfordern Präsenz: Gesundheitswesen, Polizei, Justizvollzug, Museen, Bäder, Versorgungsbetriebe, Nahverkehr, alles Beispiele, wo Homeoffice gar keine Option ist. In anderen Bereichen – in Schulen, Kitas, Universitäten – funktionieren Mischlösungen und wieder andere Büroarbeiten könnten Sie theoretisch genauso gut auch von zu Hause erledigen, wenn die technischen Voraussetzungen gegeben wären.
BBBank-Info:
Welche drei Themen müsste man Ihrer Ansicht nach im öffentlichen Dienst derzeit am dringlichsten angehen, Herr Silberbach?
Da sind wir direkt beim Thema: Es ist ein Unding, dass Deutschland als eine der reichsten und innovativsten Industrienationen beim Thema Digitalisierung der staatlichen Dienstleistungen so hinterherhinkt. Daneben müssen wir den schon angesprochenen Personalmangel und die Überalterung des öffentlichen Dienstes bekämpfen, wenn wir zukunftsfähig sein wollen. Und drittens müssen wir darüber reden, warum gerade die systemrelevanten Berufe in Gesundheit, Pflege und Erziehung so schlecht bezahlt werden. Klatschen allein reicht nicht!
BBBank-Info:
Sehen Sie das ähnlich, Herr Lüsch? Wo besteht Ihrer Meinung nach im öffentlichen Dienst Handlungsbedarf?
Der öffentliche Dienst hat eine große Vielfalt – von der Sicherheit über die Gesundheit, die Verwaltung bis zur Bildung. Als Vater von zwei Kindern weiß ich, was gerade im Bildungsbereich momentan zusätzlich geleistet wird. Und deswegen will ich an dieser Stelle auch ausdrücklich Danke sagen. Der öffentliche Dienst, das sind die Menschen, die sich auch unter schwierigsten Bedingungen loyal und engagiert für das Gemeinwohl einsetzen und ihren Dienst tun. Der öffentliche Dienst in Deutschland ist unverzichtbar. Es ist deswegen wichtig, dass er personell und technisch gut ausgestattet ist. Ich stimme Herrn Silberbach in seiner Analyse voll zu.
BBBank-Info:
Herr Lüsch, in jeder Krise steckt auch immer eine Chance. Welches Potenzial sehen Sie in der aktuellen Krise für die BBBank oder gar die ganze Bankenlandschaft?
Die Bankenlandschaft befindet sich ja generell im Wandel. Corona beschleunigt die Umsetzungsgeschwindigkeit digitaler Themen enorm. Die Nutzung von kontaktlosen Zahlungen ist in den letzten Wochen signifikant angestiegen. Da passt es natürlich perfekt, dass wir in der BBBank jetzt Apple Pay anbieten. Das macht das Banking für die Kunden bequemer und jederzeit von sämtlichen mobilen Endgeräten verfügbar. Gleichzeitig hat die persönliche Beratung vor Ort eine hohe Bedeutung. Sie bleibt der Kern der Kundenbeziehung. Dadurch entstehen Sicherheit, Vertrauen und Verlässlichkeit. Das verstehen wir unter Better Banking.
BBBank-Info:
Welches Potenzial sehen Sie in der aktuellen Situation für den öffentlichen Dienst, Herr Silberbach?
Dass wir über genau diese drei Punkte Verständigung erzielen und eine Investitions- und Innovationsoffensive öffentlicher Dienst starten. Es ist gerade offensichtlich, wie wichtig ein funktionierender und leistungsfähiger Staat ist – überlebenswichtig. Deutschland steht 2020 noch gut da. Damit das so bleibt, müssen wir den öffentlichen Dienst besser aufstellen, besser ausstatten und besser bezahlen. Dann, bin ich sicher, werden wir auch die Herausforderungen der Zukunft meistern.
Bildquellen: Friedhelm Windmüller (dbb verlag gmbh), ARTIS-Uli Deck