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Vielfalt im öffentlichen Dienst

Nichts für schwa­che Nerven

Wenn es im Wald östlich von Sin­del­fin­gen rauscht, liegt es an den Bäumen oder an der nahe­ge­le­ge­nen A8. Manch­mal knallt es aber auch. Dann sind Mathias Peterle und seine Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen vom Kampf­mit­tel­be­sei­ti­gungs­dienst des Landes Baden-Würt­tem­berg, ange­sie­delt im Stutt­gar­ter Regie­rungs­prä­si­di­um, zugange.

Mit ihnen wollen ver­mut­lich nur die wenigs­ten Men­schen ihren Arbeits­platz tau­schen. Denn sie gehen dorthin, wo jeder andere lieber weg­läuft und sich in Sicher­heit bringt. Der Beruf des Kampf­mit­tel­be­sei­ti­gers gehört ohne Zweifel zu den gefähr­lichs­ten der Welt.

Trotz­dem strahlt Mathias Peterle eine uner­schüt­ter­li­che Ruhe aus, als ihn BBBank-Info in seiner Dienst­stel­le besucht, die gut ver­steckt zwi­schen hohen Bäumen liegt. Flache Hütten, Lager­bun­ker, Aus­glü­hö­fen und Spreng­bun­ker ver­tei­len sich auf dem weit­läu­fi­gen Gelände. Alles mit genü­gend Sicher­heits­ab­stand zuein­an­der – und natür­lich nicht öffent­lich zugänglich.

Peter­les Ruhe gründet sich auf Wissen und Erfah­rung, in lang­jäh­ri­ger Tätig­keit erwor­ben und von älteren Kol­le­gen wei­ter­ge­ge­ben. Denn auch 75 Jahre nach dem Ende des Zweiten Welt­kriegs ist das Kapitel Blind­gän­ger nicht abge­schlos­sen. Im Gegenteil.

Personenbild

MATHIAS PETERLE

Kampf­mit­tel­be­sei­ti­gungs­dienst
„Übermut und Grö­ßen­wahn wären die fal­schen Begleiter.“

Kampf­mit­tel­räu­mung ist eine der Auf­ga­ben des öffent­li­chen Diens­tes, die an Bedeu­tung gewin­nen, denn die explo­si­ven Über­bleib­sel aus zwei Welt­krie­gen werden zuneh­mend marode. Deshalb muss immer häu­fi­ger direkt am Fundort kon­trol­liert gesprengt werden, sagt Mathias Peterle: „Noch vor zehn Jahren wurde kaum eine Bombe vor Ort gesprengt. Mitt­ler­wei­le pas­siert das nahezu jede Woche irgend­wo in Deutschland.“

Vor allem ver­rot­te­te Zünder sorgen für Pro­ble­me. Mathias Peterle erklärt das so: „Diese Spreng­kör­per wurden nicht auf lange Lager­fä­hig­keit hin kon­stru­iert. Sie sollten ja mög­lichst schnell zum Einsatz kommen.“ Rote oder grüne Kabel zum Durch­schnei­den sucht man indes ver­ge­bens: „Da wären wir im Bereich der Selbst­la­bo­ra­te. Wir kümmern uns nur um alte Kriegsmunition.“

Rund 100.000 Tonnen Spreng- und Brand­bom­ben wurden in zwei Welt­krie­gen über Baden-Würt­tem­berg abge­wor­fen. Dar­un­ter waren etwa 15 bis 20 Prozent Blind­gän­ger, schätzt der 39-jährige Experte. Wie viele heute noch übrig sind, kann niemand sagen: „Während des Krieges und auch direkt danach wurde schon geräumt, darüber gibt es aber keine voll­stän­di­gen Auf­zeich­nun­gen. Wir können erst seit Anfang der 70er-Jahre genau sagen, wie viel gebor­gen wurde.“

Die Arbeit geht Mathias Peterle und seinen Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen so schnell jeden­falls nicht aus: Im Durch­schnitt kommen pro Tag drei Mel­dun­gen herein. Dann sprin­gen Peterle und Kol­le­gen in eins ihrer Ein­satz­fahr­zeu­ge, die mit Blau­licht und Mar­tins­horn aus­ge­stat­tet sind, und eilen zum Fundort. „Meis­tens fahren wir ohne Son­der­rech­te, außer es ist wirk­lich drin­gend. Bei Gefahr im Verzug stellen wir uns natür­lich nicht in einen Stau – in dem Fall machen wir das Blau­licht an“, erzählt Peterle.

Natür­lich ist nicht alles, was nach Bombe aus­sieht, auch wirk­lich eine. Auf dem Dienst­ge­län­de lagert eine skur­ri­le Samm­lung von Gegen­stän­den, die ihren Findern zu Unrecht einen Schre­cken ein­ge­jagt haben: Die Abde­ckung einer Trom­mel­brem­se, die ein biss­chen wie eine Tel­l­er­mi­ne aus­sieht. Das Fun­da­ment eines Zauns in Form einer Rakete. Und sogar ein Hun­de­spiel­zeug. Man kann dem Desi­gner sicher keinen bösen Willen unter­stel­len – aber mit Rost­über­zug sieht das Ding tat­säch­lich einer Hand­gra­na­te ähnlich. Peterle ist des­we­gen nicht böse. Vor­sicht ist besser als Leichtsinn.

Das gilt für die Arbeit der Kampf­mit­tel­be­sei­ti­ger gene­rell. Da die bekann­ten dicken grünen Schutz­an­zü­ge gegen eine Deto­na­ti­on aus nächs­ter Nähe nichts helfen, gehen die Beamten immer mit Bedacht vor. Wer sich nicht fit fühlt, muss nicht an die Bombe. Wenn sicher ist, dass nicht ent­schärft werden kann, wird gesprengt. „Man darf keine Routine auf­kom­men lassen und kei­nes­falls so ran­ge­hen, dass man schon alles gesehen hat. Übermut und Grö­ßen­wahn wären die fal­schen Beglei­ter“, sagt Peterle.

Und was sagt die Familie zu seiner Kar­rie­re, die einmal als ruhiger Schreib­tisch­job begon­nen hat? „Meine Eltern waren natür­lich nicht begeis­tert, als sie erfah­ren haben, was ich jetzt mache. Aber meine Frau hat mich so ken­nen­ge­lernt, die hat kein Problem damit.“

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