Seit gut einem Jahr ist das größte Nagetier Europas der ständige Begleiter von Lars Lochhaas. Der Biologe mit Masterabschluss verantwortet als Referent im Referat 56 Naturschutz und Landschaftspflege des Regierungspräsidiums Stuttgart das Bibermanagement. Kurz gesagt, er kümmert sich um das Wohlergehen, aber auch um Konfliktlösungen im Zusammenhang mit diesen streng geschützten Tieren im Stuttgarter Regierungsbezirk.
Unterhalb der sanierungsbedürftigen Burgruine Kaltenburg auf der Schwäbischen Alb macht an diesem wolkenverhangenen Tag im Mai noch eine andere Art von Burg Probleme. Streng genommen sind es ihre Bewohner: eine Biberfamilie. Sie haben das getan, was sie am besten können: den Zusammenfluss von Lone und Hürbe mit einem Damm aufgestaut. Nur leider etwas zu gut, denn der höhere Wasserstand bringt die Sensoren für den Hochwasserpegel in der Lone durcheinander. Lars Lochhaas trifft sich deshalb mit dem zuständigen Biberbeauftragten direkt vor Ort zur Lagebesprechung.
Diesmal ist die Lösung nach einer kurzen Besichtigung schnell gefunden. Die bereits bestehende Drainage im Biberdamm wird verbessert, um den Wasserstand so zu senken, dass es für Sensoren und Tiere passt. Dass es nicht immer so einfach ist, hat der Mitarbeiter im Sachgebiet Artenschutz ganz schnell in den knapp eineinhalb Jahren seiner Tätigkeit gemerkt: „Biber stehen unter strengem Naturschutz und wir wollen sie natürlich möglichst in ihrem Revier halten. Nur wenn es keine anderen Lösungen gibt, erteilen wir Ausnahmegenehmigungen. Dabei werden die Tiere in der Regel vergrämt, also vertrieben“, erklärt der Biologe. Bislang blieb dies stets das allerletzte Mittel. Vorher läuft ein aufwendiges Vermittlungsverfahren auf mehreren Ebenen ab, das auf Kommunikation, Kooperation sowie Teamarbeit setzt.
Unterschiedliche Konfliktsituationen
Typische Konfliktfälle mit Landnutzerinnen und ‑nutzern oder Eigentümerinnen und Eigentümern nahe Biber-Gewässern sind überstaute Flächen sowie Schäden am Gehölz, der Ackerfrucht oder – wie in dem Fall hier – beim Hochwasserschutz. Oft genügt es, den Betroffenen Drahthosen zum Schutz ihrer Bäume zur Verfügung zu stellen oder eine Drainage für den Wasserabfluss zu bauen. Der Biber soll möglichst an der Stelle gehalten werden, die er sich ausgesucht hat. „Aber Biber sind Wildtiere und halten sich nicht an Pläne. Manchmal bauen sie einfach Dämme an sehr ungünstigen und schwer zugängigen Stellen. Dann müssen wir anders weitersehen“, schildert Lochhaas seine bereits vielfältigen Erlebnisse mit den beharrlichen Nagern.
Zum Schutz der Biber arbeiten bei den unteren Naturschutzbehörden in den Stadt- und Landkreisen ehrenamtliche Biberberaterinnen und ‑berater mit professionellen Biberbeauftragten und dem Naturschutzreferent des Regierungspräsidiums eng zusammen. Im Ergebnis sind die Tiere mit dem charakteristisch abgeplatteten Schwanz dabei, sich schrittweise nicht nur im Regierungsbezirk Stuttgart, sondern in ganz Baden-Württemberg allmählich wieder zu etablieren.
Lars Lochhaas
Referent für Naturschutz
„Mir war immer klar, dass ich etwas mit Tieren und für Tiere machen möchte.“
Biber-Oase Naturschutzgebiet
Besser funktioniert das Zusammenleben zwischen Biber und Mensch natürlich in Naturschutzgebieten wie dem Eselsburger Tal nahe Heidenheim an der Brenz. Hier finden die Tiere einen Lebensraum, in dem sie ihren natürlichen Verhaltensweisen ohne größere Konflikte problemlos nachgehen können. In dem landschaftlich reizvollen Flussabschnitt mit seinen Heideflächen, Felsformationen, Grünwiesen und Baumbeständen fühlt sich der Biber pudelwohl. „Als aktiver Landschaftsgeschalter ist er eine sogenannte Schirmart und schafft mit seinen Aktivitäten einen Lebensraum für viele Wasservögel sowie Fisch- und Amphibienarten“, betont Lochhaas. Der Nager trägt also direkt oder indirekt dazu bei, dass sich andere Arten in vielen Biberrevieren ebenfalls sehr wohlfühlen.
Damit das so bleibt, kümmert sich der 31-jährige Biologe auch um die Erstellung von Informationstafeln in den Naturschutzgebieten im Regierungsbezirk Stuttgart. Eine gute Besucherlenkung und ‑aufklärung zum Schutz von Flora und Fauna ist nicht erst in Coronazeiten mit den stark wachsenden Ausflüglerzahlen sehr wichtig geworden. Mit entsprechenden Informationstafeln sollen die Besucherinnen und Besucher deshalb nicht nur für die heimische Natur begeistert werden, sondern auch über Verhaltensweisen und Regeln in den Naturschutzgebieten aufgeklärt und sensibilisiert werden, um die Perlen der heimischen Natur bestmöglich zu schützen.
Der besondere Bezug zu Tieren war Lochhaas quasi in die Wiege gelegt. „Mir war immer klar, dass ich etwas mit Tieren und für Tiere machen möchte. Ich saß schon als ganz kleines Kind in der Wiese und habe Heuschrecken und Eidechsen beobachtet“, erzählt er lächelnd. Während seines Studiums wurde er darauf aufmerksam, dass er im Öffentlichen Dienst sehr gut seine Leidenschaft mit seinen beruflichen Vorstellungen verbinden kann. Dazu kam im Regierungspräsidium die Möglichkeit, Entscheidungen zu treffen, die sich direkt für die Umwelt auszahlen. Dass es ihm heute ausgerechnet dieses Tier so antut, hat sich dann eher zufällig ergeben.
Lochhaas hat es nicht bereut. Wenn er morgens im Regierungspräsidium startet, wartet zwar auch typische Verwaltungsarbeit auf ihn – jedoch immer auch neue Herausforderungen. Zum Beispiel die Klärung juristischer Biber-Sachverhalte mit den Kolleginnen und Kollegen des benachbarten Referats 55 Naturschutz – Recht (siehe nachfolgende Reportage S. 14). Dazwischen geht es – abhängig von der Jahreszeit – durchschnittlich ein- bis zweimal die Woche raus in die Natur. „Das ist für mich ein wesentlicher Punkt, weshalb ich meinen Job auch gerne noch viele Jahre machen würde“, bemerkt er und ist bereits wieder auf dem Sprung zum nächsten Termin.
BIBER KURZ VOR DER AUSROTTUNG
Der Biber hatte es mit dem Menschen von Beginn an nicht leicht: Er wurde vor allem wegen seines warmen Fells, aus dem Mützen und Jacken gefertigt wurden, und seines wohlschmeckenden Fleisches bejagt. Als begehrtes Allheilmittel galt darüber hinaus das Drüsensekret, das Biber zur Reviermarkierung nutzen. Dieses enthält Salicylsäure, was noch heute als Schmerzmittel verwendet wird. Kein Wunder also, dass der Biber Anfang des 20. Jahrhunderts kurz vor der Ausrottung stand.
1930 startet Wiederansiedlung
In ganz Europa gab es nur vier Regionen mit kleineren Populationen, darunter in Deutschland an der Mittleren Elbe. Zählungen zufolge soll es hier vor 100 Jahren nur noch rund 200 Exemplare gegeben haben. In der Fachliteratur der 1920er- und 1930er-Jahre wird das Tier dennoch sehr ambivalent gesehen: Zwar werden die wenigen verbliebenen Tiere für schützenswert gehalten, eine Ausbreitung der Biber sei aber zu verhindern. Schließlich gehe es darum, die Fisch- und Forstbestände und Dämme zu schützen – der Biber galt also vorrangig als „Schadtier“. Das erste Projekt zur Wiederansiedlung in Europa startete 1930 in Finnland. In Deutschland dauert es etwas länger: 1966 machte Bayern den Anfang und genehmigte die Aussetzung von Bibern. Mit Erfolg, denn die Nager vermehrten sich und breiteten sich aus, auch nach Baden-Württemberg. Nach 130 biberlosen Jahren wurden Mitte der 1970er-Jahre auch an Hoch- und Oberrhein erstmals wieder Biber gesichtet.